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Kolumne von Gunna Wendt
Gedanken der Schriftstellerin Gunna Wendt zum Titelthema der Alternovum-Frühjahrsausgabe 2025
München, 22. März 2025
In einer Zeit, in der Begriffe wie Künstliche Intelligenz, Siri und ChatGPT in aller Munde sind, lohnt es, einmal einen Blick auf ihre Geschichte zu werfen.
Schon vor mehr als einem halben Jahrhundert hat sie begonnen, die Geschichte der Chatbots, der digitalen Kommunikationssysteme zwischen Mensch und Maschine. 1963 entwickelte der Informatiker Joseph Weizenbaum am renommierten M.I.T. – Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA – ein Programm, mit dem man in Alltagssprache ein Gespräch mit einem Computer führen konnte. Er nannte es ELIZA nach der Protagonistin aus My Fair Lady bzw. Pygmalion von George Bernhard Shaw.
Es gab zwei Akteure, den Menschen und den Computer. Der Mensch tippte seinen Gesprächsbeitrag in die Tastatur des Computers und mithilfe des ELIZA-Programms analysierte der Computer diese Aussage und erzeugte eine Antwort.
Weizenbaum wählte als Thema eine psychotherapeutische Gesprächssituation, in der ELIZA die Rolle des Psychotherapeuten übernahm. Nach einer Weile entstand für den „Patienten“ der Eindruck, der Therapeut könne sich sehr gut in ihn hineinversetzen.
ELIZA wurde bald weit über die Grenzen des M.I.T. hinaus bekannt und entwickelte ein Eigenleben mit zahlreichen Varianten, unabhängig von seinem Schöpfer. In Boston wurde von 1991 bis 2019 jedes Jahr der Loebner-Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem der menschenähnlichste Chatbot prämiert wurde.
Der Hauptunterschied der modernen KI-Programme zu ELIZA besteht darin, dass die aktuellen Programme ihre Informationen aus dem Internet beziehen, während ELIZA und Varianten von lokalen Datenbanken gespeist wurden und ihr Inhalt daher kontrollierbar war.
Weizenbaum beobachtete mit Verwunderung, welch enge Beziehung die menschlichen Gesprächsteilnehmer innerhalb kürzester Zeit zu ihrem Maschinen-Gegenüber aufbauten. Sie sprachen darüber wie über die Begegnung mit einem Menschen und schrieben dem Computer ganz selbstverständlich menschliche Eigenschaften zu. Die meisten Menschen waren bereit, im Kontakt mit dem ELIZA-Programm bereits nach kürzester Zeit sehr intime Dinge über sich preiszugeben. Er sei entsetzt gewesen, vielleicht auch einfach naiv, so Weizenbaum, aber er habe sich nicht vorstellen können, dass man einem Computer Geheimnisse aus seinem Leben anvertraute. Welchen Sinn sollte das haben?
Nicht nur diese Erfahrung, sondern auch die Erkenntnis, dass in den USA Technik und Militär eng miteinander verbunden sind, ließen den Computerpionier bald zu einem scharfen und fantasievollen Kritiker seines Fachs werden. Er räumte auf mit dem Mythos von der anonymen Wertfreiheit von Wissenschaft und Technik und benannte die konkreten Interessengruppen. Für sich selbst scheute er nie eine klare Standortbestimmung, solidarisierte sich mit den Gegnern des Vietnamkriegs, unterstützte den studentischen Widerstand an seiner Universität und nahm berufliche Nachteile in Kauf.
In Zusammenhang mit seinem Hauptwerk Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft aus dem Jahr 1977 hat Joseph Weizenbaum immer wieder betont: „Ich bin kein Computerkritiker. Computer können mit Kritik nichts anfangen. Ich bin Gesellschaftskritiker.“ Dazu gehört es, sich darüber zu verständigen, wie die KI zum Nutzen der Gesellschaft eingesetzt werden kann.
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