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Von Prof. Dr. Thomas Klie

Pflege im Blick

Optionen für die Sozialpolitik

Freiburg, Berlin, Starnberg, 13. März 2025

Die Pflegeversicherung wird 2025 30 Jahre alt. Norbert Blüm war bekannt für seinen Spruch: „Deine Rente ist sicher.“ Dieses Sicherheitsversprechen wollte er auch für die Pflege geben. Gilt es noch? Der Pflegeversicherung droht Ende des Jahres die Zahlungsunfähigkeit. Jens Spahn hatte in Zeiten der Coronapandemie auf die Rücklagen in verfassungswidriger Weise zurückgegriffen.

Das Thema Finanzierung der Pflege- (und der Kranken-)versicherung wird eines der zentralen Themen für die Sozialpolitik der nächsten Bundesregierung sein. Eine Regierungskommission hatte sich 2024 intensiv mit den Möglichkeiten und Stellschrauben für eine zukunftssichere Finanzierung der Pflege beschäftigt. Einig wurde man sich weder in der Ampelkoalition noch mit der Union. Die Zahl der auf Pflege angewiesenen Menschen wird in den nächsten 20 Jahren deutlich steigen. Dafür nimmt die Zahl derjenigen, die Sozialversicherungsbeiträge abführen, eher ab. Keine gute Ausgangssituation für ein Finanzierungsdilemma in Zeiten demografischer Transformation. Was tun? Fünf Optionen kommen in Betracht:

Option 1: Beitragssatzanhebung
Ein probates Mittel, die Finanzierung der Pflegeversicherung zu sichern, wäre eine (weitere) Anhebung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung. Nun gab es zum Anfang des Jahres 2025 die höchsten Krankenkassenbeitragssatzanhebungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Die magische Grenze von 40 Prozent Lohnnebenkosten wurde bereits gerissen. Geht das so weiter, liegt Deutschland mit den Sozialabgaben bei 50 Prozent. Das ist weder für das Wirtschaftswachstum noch für den Standort Deutschland ein erstrebenswertes oder akzeptables Ziel.

Option 2: Steuerzuschuss
Sowohl von der gesetzlichen Kranken- als auch von der sozialen Pflegeversicherung werden versicherungsfremde Leistungen finanziert. Dazu gehören etwa Rentenansprüche für pflegende Angehörige, Ausbildungskosten für die Pflege, die Übernahme von Krankenkassen- und Pflegekassenbeiträgen für Grundsicherungsempfänger, um nur einige zu nennen.  Steuerzuschüsse würden die Finanzierungsnot in Teilen absenken. Nur woher angesichts der Schuldenbremse und des enormen Investitionsstaus in Deutschland Steuermittel für die Pflegeversicherung nehmen? Wer auch immer Finanzministerin oder -minister wird: Attraktiv ist der ordnungspolitisch richtige Ansatz einer anteiligen Steuerfinanzierung nicht.

Option 3: Bürgerversicherung
Schon lange wird insbesondere von der SPD, aber auch von den Grünen eine Bürgerversicherung gefordert. Alle, ob Beamte, ob privat Versicherte, zahlen in die gesetzliche Kranken- und soziale Pflegeversicherung ein. Die Beitragsbemessungsgrenzen werden angehoben: Hierdurch könnte in der Tat ein deutlicher Beitrag zur Sicherung der Finanzierung der Pflegeversicherung geleistet werden. Wenn man dann auch noch den Vorschlag der Grünen mit aufnimmt, auch nicht aus Erwerbsarbeit gewonnene Einkünfte, etwa aus Vermögenserträgen, mit einzubeziehen, um die Kranken- und Pflegeversicherung zu finanzieren, wäre das ein Hub. Nur ist diese Perspektive politisch realistisch?

Foto: PIKSEL / Getty Images

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Option 4: Eigenvorsorge 
Die Riesterrente war ein Flop, der Ansatz aber durchaus nachvollziehbar: Die Bürgerinnen und Bürger sollten motiviert werden, auch privat Vorsorge zu treffen, damit sie im Alter über eine ausreichende Rente verfügen. So etwas könnte man sich auch für die Pflege vorstellen und entsprechende Forderungen einer kapitalstockfinanzierten Zusatzpflegeversicherung werden schon lange erhoben. Der sogenannte Pflege-Bahr, von dem seinerzeitigen FDP-Gesundheitsminister Bahr eingeführt, hat aber das gleiche Schicksal wie die Riesterrente ereilt.  Wenn, dann muss man die private Vorsorge verpflichtend machen, sonst wirkt sie nicht. Nur der Haken an der privaten Vorsorge – auf die sich die Koalitionspartner welcher Farbenlehre auch immer verständigen werden – ist, sie hilft mit Blick auf die steigende Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten 15, 20 Jahren nicht. Der Aufbau eines Kapitalstocks braucht Zeit. Wenn der Kapitalstock entsprechende Erträge abwirft – eine stabile Weltwirtschaft vorausgesetzt – dann ist der demografische Peak der Zahl der Pflegebedürftigen schon überwunden.

Option 5: Sozialhilfe
Das Bundesverfassungsgericht hat in den 1960er Jahren einen Rechtsanspruch auf menschenwürdige Existenzsicherung unmittelbar aus Artikel 1 Grundgesetz abgeleitet. Georg Cremer, Volkswirt und ehemaliger Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, bringt eine Reform der Sozialhilfe für die Sicherung der Pflege ins Spiel. Der Vermögensverbrauch wohlhabender Bürgerinnen und Bürger, er sei sozialpolitisch und unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten durchaus angemessen und hinnehmbar. Wenn die Mittel knapp werden, wird man stärker auf Fragen der Verteilungsgerechtigkeit setzen müssen – so lässt sich argumentieren. Die Unterhaltsverpflichtung von Angehörigen wurde ja schon deutlich begrenzt: Nur bei einem Bruttojahreseinkommen von 100.000 Euro tritt diese ein.

Handlungsauftrag für die neue Bundesregierung
Mit diesen fünf Optionen muss sich eine neue Bundesregierung auseinandersetzen. Die Regierungskommission hat  die verschiedenen Stellschrauben, die miteinander zu verbindenden Regulierungsmöglichkeiten aus den fünf grob skizzierten Optionen aufbereitet.   Die Finanzierung der Pflegeversicherung braucht eine stabile Grundlage. Dabei wird man nicht nur über die Finanzierung der Pflegeversicherung nachzudenken haben, sondern auch über die Ausgaben. Das System der deutschen Langzeitpflege ist in vieler Hinsicht nicht sonderlich effizient, die Schnittstellen zur gesundheitlichen Versorgung sind nicht wirklich klug geregelt. Insofern braucht es nicht nur eine Finanzierungsreform, sondern auch eine Strukturreform der Pflegeversicherung. Auch mit ihr wird sich eine neue Bundesregierung zu befassen haben. Knapp wird nicht nur das Geld, sondern auch das Personal. Und an dem Thema eigene Vorsorge kommen wir als Bürgerinnen und Bürger auch nicht vorbei. Und Vorsorge heißt nicht nur finanzielle Vorsorge, sondern auch soziale und richtige Entscheidungen über die Lebens- und Wohnform. 
 

Foto: KWA

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